... und plötzlich ist alles anders

Dieser Bereich ist für Beiträge reserviert, deren Thematik nicht unmittelbar mit der Bauchspeicheldrüse im Zusammenhang stehen muss. Oft spielen aber andere Faktoren in diese Erkrankung hinein, über die hier frei diskutiert werden kann.
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Paula
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... und plötzlich ist alles anders

Beitrag von Paula »

und plötzlich ist alles anders.

Man lebt munter vor sich hin, macht Pläne, die Karriere, der nächste Urlaub, die Renovierung des Hauses und und und. Und plötzlich wie aus heiterem Himmel, da zwickt es irgendwo. Naja, so schlimm wird das ja nicht sein, aber sage ich es vielleicht doch besser mal dem Doktor. Ja, da ist wohl was, was einer weiteren Klärung bedarf. Eher widerwillig zum Facharzt, denn so viel Aufwand für eigentlich nichts? Und dann plötzlich, völlig unerwartet die Verdachtsdiagnose. Krebs, BSDK. Nein das kann, das darf nicht sein. Aber es ist so. Und plötzlich ist wirklich alles anders. Alle Pläne, Karriere, Haus, Urlaub, alles steht in Frage. Krebs gleich Zukunftsangst, die Familie, die soziale Sicherheit, alles beginnt in diesem Augenblick zu wanken. Der Boden unter den Füßen versinkt im Nichts.

Wir alle wissen es, wie werden geboren um eine gewisse Zeit zu leben und dann zu sterben. Das ist der Lauf aller Dinge und allen Lebens. Aber wenn es nun uns ganz persönlich trifft, dann wollen wir es nicht glauben, von dieser Wahrheit nichts mehr wissen. Es kommt eine große Angst auf. Was wird aus dem Partner, aus den Kindern, man steht schließlich da in einer Verantwortung. Aber wo es um den Tod geht endet jede Verantwortung. Und die Angst vor dem Tod, oder ist es die Angst vor dem Sterben? Wie könnte man Angst haben, vor dem einzig sicheren und unausweichlichem im Leben. Sterben aber ist so vielfältig wie das Leben. Und was ist Leben, nicht tot sein? Oder ist Leben viel mehr? Ist es nicht vielleicht gerade die moderne Medizin die uns vor einem vorzeitigen Tod bewahrt, uns aber dennoch nicht das Leben geben kann? Sicher, jeder Mensch hat seine eigenen Vorstellungen vom Leben, hat seine eigen Ansprüche an das Leben. Sollte man vielleicht doch das unausweichliche einfach geschehen lassen, so wie es die Natur bestimmt hat? Oder hat eine lange Leidenszeit irgendeinen höheren Sinn? Könnte es eine Zeit zum Abschied nehmen sein? Eine Woche, einen Monat, ein Jahr? Wem hilft es den Sterbenden leiden zu sehen, wem hilft es die Angehörigen leiden zu sehen. Ist, nicht los lassen zu wollen oder zu können, vielleicht doch nicht mehr wie Egoismus?

Ich habe nun schon so viele Verlaufsberichte gelesen, meist aus der Sicht von Angehörigen und ich bin erschrocken und entsetzt, wie oft da auf den Patienten Druck ausgeübt wird noch eine und noch eine Therapie zu machen und der Patient hat nicht mehr die Kraft dagegen zu halten. So leidet der Patient und die Angehörigen und umso größer das Leiden wird umso verbissener wird für noch eine Behandlung gekämpft, denn es darf doch das alles nicht um sonst gewesen sein. Aber am Ende ist es um sonst. Alle verlieren.

Ja, natürlich, wir alle wollen Leben und ja, auch so lange wie möglich, aber eben Leben und nicht Leiden. Für mich jedenfalls hört das Leben, eines das es wert ist gelebt zu werden an dem Punkt auf, an dem das Leiden, eines das kein gutes Ende finden kann anfängt.

Nach dem ersten Schock sollte vielleicht auch im Gespräch mit dem Arzt des Vertrauens, der Familie oder guten Freunden die Situation, die Chancen und die eigene Vorstellung vom Leben besprochen werden und dann der persönlich richtige Weg gegangen werden. Wie der dann auch sein mag und alle sollten nur das Beste für den Patienten tun.

Sich verantwortlich Verhalten ist auch, die Verantwortung nicht auf andere abwälzen. Jeder sollte eine Patienten Verfügung und eine Vorsorge Vollmacht geschrieben haben. Um im Fall der Fälle das eigene Leben weiter in den eigenen Händen zu halten und diese Verantwortung nicht auf in der Situation überforderte und verzweifelte Angehörige abzuwälzen
19.3.2012 klassische Whipple OP in Heidelberg pT3,pN1,(5/31) cM0,Pn1,L1,G2,R1 mit Rezidiv und Lungenmetastasen. Weitergehende Infos unter http://www.peh.blogger.de/
Norbert
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Re: ... und plötzlich ist alles anders

Beitrag von Norbert »

Ja, plötzlich ist alles anders, vor allem bei der Diagnose Krebs im unheilbarem Stadium.
Es sind die Wenigsten, die ihre Krankheit so annehmen wie sie ist. Doch den Meisten fällt es schwer sie zu akzeptieren. Sie legen die Ganze Hoffnung in medizinische Hände. Dadurch wird meistens die Schwere der Krankheit übersehen, es geht wertvolle Zeit verloren. Es wird dann nicht über das Endliche gesprochen, nichts wird geregelt. Aber das ist das Wichtigste. Das nähere Umfeld sollte wissen, wie man seine noch verbleibende Zeit verbringen möchte. Welche Wünsche man hat, auch wenn sie nicht immer erfüllt werden können.

Wie man seine Zeit gestaltet, liegt oft in unseren Händen. Jeder geht da seinen eigenen Weg. Das ist auch gut so und sollte von allen respektiert werden.
Sei es die Familie als auch von den Ärzten !!! Jeder stirbt seinen eigenen Tod.

Die Vorsorgevollmacht ist ein MUSS, schon in jungen Jahren. Die Patientenverfügung ein KANN, diese sollte immer mal wieder auf den neuesten Stand gebracht werden.
sternej
Beiträge: 193
Registriert: 9. Januar 2013, 17:40

Re: ... und plötzlich ist alles anders

Beitrag von sternej »

Hi,
keiner von uns weiß, wann es für uns Zeit ist zu gehen. Ich habe keine Garantie dafür, alt zu werden. Deshalb habe ich mich entschieden, hin und wieder das Thema "Tod" anzusprechen. Meine Familie, meine Kinder, wissen was ich möchte und ich bereite sie darauf vor alleine klar zu kommen, auch wenn ich dazu eigentlich keinen Grund habe, kann es ja nicht Schaden. Ich habe zwar einige Gedanken zum Thema aufgeschrieben (Was ist wenn ich im Koma bin, was ist wenn ich tod bin, ....)Aber gibt es eigentlich Vordrucke zum Thema, die man ausfüllen kann? Wo gibt es die? Eine Vorsogevollmacht kenn ich gar nicht. Was ist das? Ich finde Norbert, Du hast völlig Recht, keiner hat sein Leben in der Hand, auch die Mediziner nicht. Jeder sollte seine Zeit sinnvoll nutzen und im Anblick darauf, dass unsere Zeit hier auf Erden immer zeitlich begrenzt ist, werden (mir) auch andere Dinge wichtig. Für mich ist die Zeit wichtig geworden, die ich in Beziehungen investiere. Und sich auch damit beschäftigen, was bedeutet es für mich "friedlich" zu sterben, wie kann ich mich und andere vorbereiten. Als mein Vater im Sterben lag, habe ich mich darauf vorbereitet, was ich in dem Moment tue, schließlich hat man da keine zweite Chance. Ich wollte nicht, dass das letzte was mein Vater von mir sieht, ist Panik, Angst, Erschrockenheit, Hilflosigkeit. Ich wollte ihm begleiten ins ewige Leben. Er hat einen starken Glauben und singt gerne alte Hymen und die wollte ich dann mit/für ihn singen. (Wir ziehen Himmel an, singen, siegend ...) Obwohl mein Vater überlebt hat, ist mir bewußt geworden, dass es gut ist, vorzubereitet zu sein, denn egal ob ich es ignoriere oder nicht, irgendwann werde auch ich sterben.
Auch wenn ich versuche alles zu tun, so gesund wie möglich zu sein, weiß ich das Medizin ihre Grenzen hat.
Natürlich, wird es Euch total anders ergehen und ich glaube keiner von uns, die diese Diagnose nicht haben, weiss
wie es wirklich ist. Umso mehr glaube ich, dass Eure Offenheit uns vorbereitet, anderen zu helfen oder selbst einmal mit einer ähnlich schweren Situation klar zu kommen.
LG Esther
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Paula
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Re: ... und plötzlich ist alles anders

Beitrag von Paula »

Hallo Esther

Hier ein Info Blatt zum Thema Patienten Verfügung und Vorsorge

http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/ ... cationFile

Es ist empfehlenswert sich so einen Vordruck als Muster zur Hand zu nehmen und als Beispiel für die formale Gestaltung. Inhaltlich sollte man aber das alles auf die eigenen ethischen Vorstellungen und persönlichen Bedürfnisse abgestellt formulieren. Ein nur angekreuzter Vordruck kann da kaum der eigenen Situation gerecht werden. Meine Patienten und Vorsorge Verfügung habe ich handschriftlich verfasst und meinem Hausarzt zur medizinischen Begutachtung vorgelegt. So kann vermieden werden, daß später ein behandelnder Arzt das Schriftstück anders liest wie es gemeint war. Auch habe ich mir den Vollbesitz meiner geistigen Kräfte bei Abfassung der Verfügung bestätigen lassen. Die Unterschrift sollte einmal im Jahr mit Datum erneuert werden.
19.3.2012 klassische Whipple OP in Heidelberg pT3,pN1,(5/31) cM0,Pn1,L1,G2,R1 mit Rezidiv und Lungenmetastasen. Weitergehende Infos unter http://www.peh.blogger.de/
Muggle
Beiträge: 224
Registriert: 24. November 2012, 17:58

Re: ... und plötzlich ist alles anders

Beitrag von Muggle »

Ich hatte vor der Op eine Vollmacht geschrieben....und eine Patientenverfuegung. Im nachhinein und nachdem ich die Intensivmedizin nun mehr als nur kurz erleben durfte, muss ich das aendern...denn was man sich vorstellt und wie es sich dann tatsaechlich in dieser Situation anfuehlt, sind zwei paar Schuhe.

Und manche Menschen haben sich, als sie Angst um mein Leben hatten, als Vollmachtsinhaber auch nicht als so wahnsinnig hilfreich erwiesen ;-)

Aber grndsaetzlich stimme ich dir zu, jeder sollte sowas in gesunden Jahren auf jeden Fall mal durchdenken und vernuenftige Vorkehrungen treffen. Ich war jedenfalls froh, dass ich nur kurz in einem Zustand war, in dem ich wirklich nichts entscheiden konnte und dann recht bald, auch wenn ich koerperlich noch komplett out of order war, alle wieder zurueck auf ihre Plaetze pfeifen konnte :-)
sternej
Beiträge: 193
Registriert: 9. Januar 2013, 17:40

Re: ... und plötzlich ist alles anders

Beitrag von sternej »

Hi muggle,
was hast du denn geändert nachdem Du die Erfahrung gemacht hast?
Kannst Du mir einen Tipp geben an was ich denken soll, was in der Situation anders ist als man denkt?
Danke Esther
Muggle
Beiträge: 224
Registriert: 24. November 2012, 17:58

Re: ... und plötzlich ist alles anders

Beitrag von Muggle »

nee, einen Tipp kann ich dir nicht geben, da es dabei ja sehr um persoenliches Empfinden geht. Und das kann sich aendern, wenn man die Gefuehle dann in Wirklichkeit kennenlernt, wie es sich anfuehlt, beatmet zu werden oder eine Sonde zu bekommen, wie man damit zurecht kommt, nichts selber zu koennen...sowas spielt da doch alles mit rein und macht letztlich ja die Entscheidung aus. Ich persoenlich habe meine Meinung zu diesen Sachverhalten geaendert aufgrund meiner Erfahrungen von mehreren wochen auf der Intensivstation. Diesmal war ich ja noch in der Lage, mich zu artikulieren und koerprlich schon noch etwas fitter als die M enschen, auf die die Verfuegungen im Allgemeinen dann angewendet werden wuerden. Aber ich habe erkebt wie sich Hilflosigkeit anfuehlt und wenn jeder Tag fast nuraus Quaelerei besteht und du nicht weisst, wird das ein Ende haben? Wenn ja wann? Halte ich es aus, will ich das ueberhaupt aushalten oder reichts jetzt?

nach diesem "Testlauf" denke ich, dass zumindest ich es nicht im Voraus entscheiden kann, es gibt so viele verschiedene Situationen, die man so garnicht alle vorhersehen kann. Ich hatte Situationen, in denen haette ich es selber nicht gewusst, wie ich mich haette entscheiden sollen. Insofern habe ich im Nachhinein viel Zeit und Muehe darauf verwendet, intensiv mit den Menschen ueber mein Erleben zu sprechen, die meine Bevollmaechtigten sind, damit diese im Zweifelsfall wissen, wie ich ticke und empfinde...um dann ggf. die richtige Entscheidung zu treffen. Fuer Akutsituationen habe ich alles Noetige in der Verfuegung festgehalten, wie z.b. dass ich grundsaetzlich schon wiederbelebt werden moechte, wuerde ich jedoch z.b. ins Koma fallen und es wuerde sich dann so eine Situation erneut ergeben, wuessten meine Bevollmaechtigten, dass ich ab da keinen gesteigerten Wert mehr auf Wiederbelebung legen wuerde usw.
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