Parenterale Ernährung ein Jahr nach Whipple-OP

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Micus
Beiträge: 6
Registriert: 16. Juli 2024, 08:45

Parenterale Ernährung ein Jahr nach Whipple-OP

Beitrag von Micus »

Ich habe im Januar 23 die Diagnose exokrines Pankreaskopfkarzinom bekommen, hatte bereits mindestens eine Metastase in der Leber, wurde aber zu meinem Glück gegen die Leitlinien operiert (Whipple-OP).

Bis ich in der Lage war, eine wegen der inzwischen zahlreichen Lebermetastasen „nur noch“ palliative Chemo zu machen, war es Mitte April, und ich wog nur noch 45 Kilo bei 1,66 m Körpergröße. (Mein Gewicht vor der Krankheit lag bei 59 Kilo.)
Die Chemo (Gemcetabin und Abraxane) wirkte deutlich besser als erwartet, das Problem blieb das Gewicht. Ich aß und aß, holte mir mehrfach Rat von Ernährungsberaterinnen – und nahm dennoch langsam, aber stetig ab.

Ich hörte dann von einer Darmkrebspatientin, die nachts parenterale Ernährung bekommen hatte und damit fast bis zu ihrem Tod (relativ) fit geblieben war, und bat meine Onkologin, mir eine Rezept dafür auszustellen. Sie war sehr skeptisch, tat es aber, und seit Mitte April d.J. lebe ich sozusagen auf einem ganz anderen Energie-Level. Ich habe gelernt, mir die Ernährung selbst an den Port anzuhängen, ziehe mir auch manchmal die Nadel, um schwimmen zu können. (Die neue Nadel muss dann wieder vom Profi gesetzt werden.) Ich wandere, trage meinen Rucksack, führe ein geselliges Leben, arbeite ein bisschen, unternehme etwas mit meinen Enkeln, etc.. Dabei mache ich weiter Chemo (nach einer Pause von einem halben Jahr noch einmal die Chemo vom letzten Jahr; sie wirkt erstaunlicherweise wieder), sehe jetzt aber, dass manche der Probleme, die ich im letzten Jahr für Nebenwirkungen der Chemo gehalten habe (z.B. Schwindel), in Wirklichkeit Folge der Unterernährung waren.

Ich wiege jetzt 55 Kilo, brauche nur noch zwei- bis dreimal in der Woche künstliche Ernährung (am Anfang hing ich jede Nacht am Rucksack, in dem der Ernährungsbeutel und die Pumpe stecken), weil ich dieses Gewicht lediglich halten will und nicht mehr zunehmen muss, und führe ein fast normales Leben.
Meine Krankenkasse übernimmt die Kosten der künstlichen Ernährung. Mein Appetit ist uneingeschränkt, und ich esse normale Mengen. Nur die Heißhungerattacken sind verschwunden, und ich schlafe besser, weil ich nachts nicht mehr hungrig bin.

Natürlich frage ich mich jetzt, warum ich nicht schon früher künstlich ernährt worden bin. Es hätte mir ein Jahr mühsamer Versuche zuzunehmen und ein Jahr großer Kraftlosigkeit erspart. Was für ein Glück, dass ich von der genannten Damkrebspatientin gehört habe! Ohne sie wäre ich nie darauf gekommen. Aber eigentlich sollte die richtige Therapie nicht Glücksache sein, oder?
(Dass Loperamid DAS Mittel gegen Durchfälle ist, habe ich in diesem Forum erfahren, nicht von Ärzten oder in der Ernährungsberatung.)
swissless
Beiträge: 17
Registriert: 10. Juni 2024, 17:47

Re: Parenterale Ernährung ein Jahr nach Whipple-OP

Beitrag von swissless »

Hallo Micus

Danke, dass Du Deine Erfahrungen hier teilst! Super! In diesem Zusammenhang kann ich folgende Info teilen:

Info aus dem Pankreaszentrum bei uns:
Bezüglich der Chemotherapie ist es wichtig, dass der Onkologe alle möglichen Register zieht, um die Chemotherapie vollständig (z.B. Folfirinox mind. 12 Zyklen) durchzuführen. Dazu gehört auch möglicherweise die Parenterale Ernährung. Nicht jeder Onkologe hat gleich viel Erfahrung (mit BSDK) und einige ziehen nicht alle möglichen Register / Hilfsmittel.

Bezüglich Folfirinxo gibt es einige Studien die zeigen, wie wichtig die Zyklen sind:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10252647/
Micus
Beiträge: 6
Registriert: 16. Juli 2024, 08:45

Re: Parenterale Ernährung ein Jahr nach Whipple-OP

Beitrag von Micus »

Hallo, swissless,

vielen Dank für dein Mitdenken!

Weil meine Leber im April letzten Jahres schon so voller Metastasen war, hat meine Onkologin vorgeschlagen, auf Folfirinox zu verzichten und stattdessen "nur noch" eine palliative Chemo zu machen, womit ich schweren Herzens einverstanden war. Im Nachhinein bin ich sehr froh, denn sie hat bei mir extrem gut angeschlagen und mir sicher weniger Nebenwirkungen beschert als Folfirinox. Kaum waren die ersten sechs Monate palliativer Chemo vorbei, las ich außerdem diese Studie, die meine Onkologin im April 23 noch gar nicht kennen konnte: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/146830/Nab-Paclitaxel-plus-Gemcitabin-erweist-sich-beim-metastasierten-Pankreaskarzinom-als-ueberlegen?rt=4b6cbf39f11ddc6369e0c52e771859a3

Den Newsletter Onkologie des Ärzteblattes kann man übrigens kostenlos abonnieren, auch wenn man nicht vom Fach ist.
Ulli
Beiträge: 65
Registriert: 8. Januar 2024, 16:23

Re: Parenterale Ernährung ein Jahr nach Whipple-OP

Beitrag von Ulli »

Hallo Micus,

dein Beitrag zur parenteralen Ernährung ist für mich sehr interessant. Kurz zu meiner Vorgeschichte. Bei mir wurde im November 23
eine Stenose am Ausgang der BSD diagnostiziert. Es wurde dann ein Stent gesetzt und ein Erweiterungsschnitt am Ausgang gemacht.
Zu diesem Zeitpunkt war mein Gewicht 55 kg bei 173 cm. Der Stent wurde im Februar 24 wieder entfernt. Mein Gewicht ist anschließend
noch auf 48 kg runtergegangen. Ich hatte dann noch eine Gastritis bekommen und konnte am Tag meist nur ca. 1200 kcal mit dem Essen
aufnehmen. Jetzt scheint die Gastritis am Abklingen zu sein und ich habe so ca. 1,5 kg zugenommen. Meine tägliche Kalorienmenge
liegt jetzt so ca. 1600-1800 kcal. Es wurde auch chron. Pankreatitis diagnostiziert. Diagnose EPI ist aber noch offen.
Zu den Mahlzeiten nehme ich auch die entsprechende Menge Kreon/ Pankreatan.
Meine Hausärztin hatte jetzt mal angesprochen, da ich nicht oder nur wenig zunehme und aufgrund des Untergewichts, eine parenterale
Ernährung vorübergehend durchzuführen. Sie weiß aber auch nichts genaueres zur Durchführung. Meine Ernährungsberaterin meinte,
dass ich das erstmal vermeiden soll, weil dann u.a. auch der natürliche Appetit/ Hunger zurückgeht. Ich weiß nicht ob das so stimmt.
Ich habe mich dann erstmal im Internet versucht schlau zu machen, wie die parenterale Ernährung durchgeführt wird.
Entweder gibt es den Zugang über Flexüle zur Vene am Handgelenk oder Arm. Dies wird aber nur für kürzere Zeiträume angewendet. Oder es wird dieser Port unter die Haut in der Nähe des Schlüsselbeines implantiert. Bei mir würde ja wohl auch eher dieser Port zum Einsatz kommen. Bisher habe ich darüber gelesen : Wenn es zu Hause durchgeführt wird kommt jemand täglich vom Pflegedienst . Früh wird die Nährlösung angehängt und abends wieder abgenommen. Man trägt dann auch einen Rucksack mit Pumpe. Bei dir wird ja die
Nährlösung nachts zugeführt. Kann man mit dem Schlauch denn einigermaßen schlafen ?
Welcher Arzt verordnet die parenterale Ernährung. Wird die Menge und Zusammensetzung der Nährlösung individuell angepasst ?

VG Ulli
Micus
Beiträge: 6
Registriert: 16. Juli 2024, 08:45

Re: Parenterale Ernährung ein Jahr nach Whipple-OP

Beitrag von Micus »

Liebe/r Ulli,

ich fange mit meiner Antwort mal bei deinen letzten Fragen an:
Ja, die Nährlösung (sieht aus wie Buttermilch) wird individuell zusammengestellt, und zwar in einer Apotheke, die dafür einen Sterilraum hat. Von dieser Apotheke bekomme ich die Beutel per Kurier gekühlt gebracht. Dafür muss man zu Hause sein; ich habe mir die Beutel aber auch schon am Urlaubsort ins Hotel bringen lassen und dort weiter gekühlt.
Das Rezept muss der Arzt ausstellen und der Apotheke schicken; alles andere läuft aber über eine Ernährungsfirma, in meinem Fall die Firma Rastorfer, die den Großraum München versorgt, leicht zu googeln. Sie macht auch einen Test, BIA genannt, nach dem die Zusammensetzung der Nahrung berechnet wird.

Normalerweise kommt der Pflegedienst, oder ein Angehöriger lernt, die Ernährung anzuhängen. Ich bin aber noch fit genug, so was zu lernen und selbst zu machen. Das erspart mir das Warten auf den Pflegedienst und schenkt mir Unabhängigkeit. Es ist kein Hexenwerk, erfordert nur etwas Konzentration und SEHR PENIBLE Hygiene. Wenn etwas schief geht, liegt das meist an einer Entzündung des Ports, wobei man sich im Krankenhaus wohl deutlich eher Keime einfängt als zu Hause.
Ich habe sowieso einen Port, weil ich Chemo mache; später kann er auch für die Schmerztherapie verwendet werden (die Ernährungsfirma vermittelt auf demselben Wege auch Schmerzmittel, die über dieselbe Pumpe im Rucksack verabreicht werden.)

Und ja, der Rucksack macht Geräusche, die sich etwa anhören wie die Intervallschaltung beim Scheibenwischer (sssss – Pause – sssss), aber ich stopfe mir Ohropax in die Ohren und habe zu dem Rucksack ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt, schließlich erlaubt er mir, wieder mit Kraft und Schwung Dinge zu tun, die vorher extrem mühsam waren.
Der dünne Schlauch lässt genug Bewegungsfreiheit; man kann nur nicht auf dem Bauch schlafen. Bis – in meinem Fall – 900 ml durch einen sehr kleinen Schlauch und durch die sehr kleine Portnadel gelaufen sind, dauert es allerdings 12 Stunden, d.h. man hat den Rucksack weit länger als die übliche Schlafenszeit neben sich bzw. auf dem Rücken.

Ich esse weiterhin mit Appetit (mein Magen meldet sich ja, er wird nicht gern umgangen), allerdings habe ich in meiner ganzen Krankheitsgeschichte nie den Appetit verloren, was wohl sehr ungewöhnlich ist. Seit ich keinen Zwölffingerdarm mehr habe, bleibt nur leider kaum noch etwas "hängen".

Nur Mut! Ich würde es ausprobieren.
DOKASCH
Beiträge: 372
Registriert: 18. Mai 2017, 20:26

Re: Parenterale Ernährung ein Jahr nach Whipple-OP

Beitrag von DOKASCH »

Ich war früher im ambulanten Pflegebereich tätig und finde Micas Ausführungen sehr gut. manchmal hat sich der hausarzt gesperrt war aber selten. Es ist super wenn man in der Lage ist es selber anzuhängen aber meißtens waren die patienten zu geschwächt aber die Angehörigen meißtens Partner wußten oft besser bescheid bei Srörungen was zu tun oder hatten schnellen Kontakt zum Service der Lieferfirmen und ich finde es super wenn sie es übernehmen denn man ist freier etwas zu tun mit dem Rucksack man ist nicht ans Zimmer gebunden. Wir hatten auch Patienten ( wenige ) die es länger bekamen und nicht jeden tag um das gewicht zu halten. Ich bin schon 7 Jahre nicht mehr in Arbeit und bin daher nicht mehr auf dem laufenden.
Dorothea
Ulli
Beiträge: 65
Registriert: 8. Januar 2024, 16:23

Re: Parenterale Ernährung ein Jahr nach Whipple-OP

Beitrag von Ulli »

Hallo Micus und Dokasch,

vielen Dank für die ausführlichen Informationen. Da sind schon die meisten Fragen die ich hatte beantwortet.
Am 12.8. habe ich noch eine MRCP-Untersuchung, die will ich noch abwarten, ob sich da noch was ergibt. Bis dahin werde ich auch
sehen, ob sich mein Gewicht tendenziell weiter erhöht (wenn auch sehr langsam). Ich habe im Internet auch die Firma Confido Care
gefunden, die die parenterale Ernährung anbieten. ( Ich lebe in Sachsen-Anhalt). Ich würde es dann wahrscheinlich auch zu Hause
durchführen. Ich bin 68 und Rentner. Aufgrund meines derzeitigen Allgemeinzustandes bin ich bis auf Einkaufen und Arztterminen
ja eh die meiste Zeit zu Hause. Das Anhängen und Abnehmen der Nährstoffbeutel würde ich vielleicht auch noch selbst hinkriegen.
Beim Pflegeheim, welches hier gleich in meiner Nähe ist, hatte ich schon mal vorangefragt. Die machen sowas auch in der häuslichen
Betreuung. Nehmen aber keine Patienten mehr an, da das Personal fehlt. Keine Ahnung , ob ich dann noch einen anderen Pflegedienst
finde der es übernimmt.

VG Ulrich
DOKASCH
Beiträge: 372
Registriert: 18. Mai 2017, 20:26

Re: Parenterale Ernährung ein Jahr nach Whipple-OP

Beitrag von DOKASCH »

Eigentlich ist es kein hexenwerk es selbst zumachen am Anfang braucht man halt länger weil man sehr penipel soweit wie möglich steril arbeiten muss . Wir bekamen von jeder Firma eine ausfürliche Anleitung. Das einzige wo ich mich oft schwer tat war dass jede Pumpe und System dazu anders war . Ich habe zwar etwas technisches verständnis aber ich brauchte längere Zeit bis ich mir immer sicher war dass die Pumpe richtig eingestellt war aber das ist oder war mein Problem.
Dorothea
Ulli
Beiträge: 65
Registriert: 8. Januar 2024, 16:23

Re: Parenterale Ernährung ein Jahr nach Whipple-OP

Beitrag von Ulli »

Hallo ,

ich habe vorab noch ein paar Fragen zum Port, Pumpe und Rucksack.

Der Port wird ja sicher stationär im Krankenhaus eingesetzt. Wie lange wird der Aufenthalt sein ? Wird dann die Pumpe mit Nährlösung
dort im Krankenhaus schon mal angehängt und getestet ?
Wie lange kann so ein Port drinbleiben ? Müsste der mal gewechselt werden ? Kann es Entzündungen geben ?
Wenn ich mal mit dem Auto zum Einkaufen fahre oder Arzttermine habe, kann man den Rucksack neben sich auf den Beifahrersitz legen?
Vielleicht geht ja auch für diese Zeiten den Nährstoffbeutel abzuhängen. Zur Zeit lebe ich ja auch noch ohne parenterale Ernährung.

Schon mal Danke im voraus für Informationen rund um dieses Thema

Ulli
Micus
Beiträge: 6
Registriert: 16. Juli 2024, 08:45

Re: Parenterale Ernährung ein Jahr nach Whipple-OP

Beitrag von Micus »

Hallo, Uli,
der Port wird in einer kleinen ambulanten OP eingesetzt (ca. eine halbe bis eine Dreiviertelstunde); danach muss man noch ein paar Stunden zur Überwachung im Krankenhaus bleiben.

Die Sache mit der Nahrung läuft nicht über eine Praxis oder ein Krankenhaus, sondern über eine Firma; dazu habe ich weiter oben schon mal was geschrieben.

Der Port kann, wenn alles gut läuft, sehr lange drin bleiben, in meinem Fall vermutlich bis ans Lebensende. Man kann in einem späteren Stadium dann auch Schmerzmittel über den Port bekommen. Zurzeit bekomme ich darüber Chemotherapie und Ernährung.

Entzünden kann er sich, deshalb ist strenge Hygiene sehr wichtig. Wenn es ganz dumm läuft, muss der Port wieder entfernt werden.

Die Ernährung läuft normalerweise über Nacht bzw. über die 12 Stunden, zu denen die Nacht gehört. Die Portnadel ist ja sehr klein, und die Ernährung läuft ganz langsam. Theoretisch kannst du alles mit dem Rucksack machen, wobei er dich nicht stört. Umziehen kann man sich allerdings nur sehr schlecht; duschen gar nicht. Und die Pumpe macht, wie gesagt, Töne. In ein klassisches Konzert oder einen sehr ruhigen Kinofilm würde ich damit nicht gehen., aber andere sind da vielleicht mutiger.

Herzlich, Micus
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